St. Martin Senioren reisen in die Jahrmillionen der Erdgeschichte …
… und ins neunzehnte Jahrhundert
In den Grenzbereich zwischen Niederbayern und der Oberpfalz zog es diesmal die Senioren der Stadtpfarrei St. Martin Deggendorf. Die König-Otto-Tropfsteinhöhle im oberpfälzischen Velburg, die Wallfahrtskirche „Maria, Heil der Kranken“ am Habsberg und eine beschauliche Treidelfahrt mit der „Alma Victoria“ auf dem alten Ludwigskanal bei Mühlhausen nahe Beilngries standen diesmal bei schönem Wetter auf dem Programm.
Als „eine einzigartige märchenhafte Zauberwelt“ und als den „König unter den Tropfsteinhöhlen“ bezeichnen die Betreiber der König-Otto-Tropfsteinhöhle ihre am 30. September 1895, dem Namenstag des damaligen bayerischen, nicht regierungsfähigen Königs Otto - als Nachfolger von Ludwig II. König von 1886-1912 - vom Schäfer Peter Federl entdeckte Höhle. Und sie zeigte sich tatsächlich in märchenhafter Pracht. Stalaktiten (von der Decke hängende) und Stalagmiten (vom Boden wachsende) und Stalagnaten (aus beiden zusammengewachsener Tropfstein) rief Bewunderung unter den Besuchern hervor. Die sieben Zwerge, Buddha, das Schloss, die Eremiten, das Liebespaar im Märchenwald und noch andere Bezeichnungen für die jeweiligen Formationen ließen der Fantasie freien Lauf. Und wenn die Führerin mit dem Alter der einzelnen Erdschichten im Jura, zwischen 145 und 163 Millionen Jahre seit der Entstehung jonglierte, oder der Zuwachsrate der Tropfsteine von nur etwa einem Millimeter innerhalb von zwei Jahren, war die Verblüffung und auch das Gefühl, etwas Großes zu erleben perfekt.
Die nur wenige Kilometer entfernte Wallfahrt „Maria, Heil der Kranken“ auf dem Habsberg führte zurück in die Gegenwart. Den Teilnehmern wurde bei der Führung durch Dekan Elmar Spöttle bewusst, wie schnell Krankheit und Gebrechen den Einzelnen treffen können und es tröstlich zu wissen ist, dass gerade an Orten wie hier, die seelischen Leiden mit Gebet und Einkehr zumindest eingedämmt werden können. Dass das Wort „Einkehr“ auch eine handfeste Bedeutung hat, zeigte das ausgezeichnete Mittagessen im benachbarten Wallfahrergasthof.
Am Nachmittag tauchten die Deggendorfer in das 19. Jahrhundert ein. Der Ludwigs-Canal, wie er zur Zeit seiner Erbauung genannt wurde, entsprang der ursprünglichen Idee Karls des Großen, der bereits 793 seine Fossa Carolina, einen Kanal zwischen Rezat und Altmühl, graben ließ. Mehr als 1000 Jahre später ging der bayerische König Ludwig I. das Wagnis ein, von 1836 bis 1846 den 178 Kilometer langen Kanal zwischen Kehlheim und Bamberg mit Pickel und Schaufel bauen zu lassen. 183 Höhenmeter mussten überwunden und 100 Schleusen errichtet werden. An der Schleuse 25 bei Mühlhausen stiegen die Martins-Senioren in die „Alma Victoria“, einem von einem Pferd gezogenen Lastkahn, um sich gemächlich „treideln“ zu lassen. Schiffseigner Hans-Georg Luber machte deutlich, dass zu jener Zeit diese Art des Warentransportes dem herkömmlichen Fuhrwerken weit überlegen war. Konnten doch innerhalb von nur fünf Tagen 100 Tonnen Material zwischen der Donau und dem Main befördert werden. Eine enorme Leistung, die allerdings bald von der Eisenbahn und viele Jahrzehnte später vom Automobil überholt wurde. Das tat dem Respekt vor der planerischen und technischen Leistung, dem Können und präzisen Beobachtung der Natur durch die Verantwortlichen keinen Abbruch. Bis zu 10 000 Arbeiter aus Deutschland, Österreich und Italien waren auf der Baustelle beschäftigt. Aber auch der Betrieb des Kanals konnte sich sehen lassen. Allein 1852 befuhren insgesamt 3142 Schiffe unterschiedlicher Größe die Wasserstraße und transportierten 2 243 395 Zentner, der Zentner zu damals 56 Kilogramm. Geladen hatten sie hauptsächlich Maschinenteile, Tabak, Zucker, Kaffee, Salz, Steine, Holz und Getreide.
Herbert Schüßler