„Und führe uns nicht in Versuchung“ mit diesem Halbsatz haben viele Christen, die das Vaterunser bewusst beten, ein Problem. Die französischen Bischöfe haben deswegen eine andere Formulierung gewählt: „Lass uns nicht in Versuchung geraten.“ Der Papst hat diesen Vorstoß in einem Interview unterstützt und damit begann eine Diskussion, der sich Monsignore Wolfgang Riedl mit einem Vortrag bei der Katholischen Erwachsenenbildung widmete.
Die Kernfrage der Diskussion war, ob man die Worte Jesu trotz dessen, was sie bei vielen Menschen auslösen belassen sollte. Dies verneinte die eine Seite, während die andere Partei eine Verfälschung der Worte Jesu ablehnte. Riedl, in Deggendorf als ehemaliger Stadtpfarrer von St. Martin, hat zu Beginn der Diskussion eine veränderte Formulierung vorgeschlagen: „Führe uns in der Versuchung“. Nach der intensiven Beschäftigung mit der Problematik ist er zu einer anderen Position gekommen: „Wir sollten den Urtext belassen, ihn aber erklären“, sagt er. Damit stellte er sich in eine Linie mit den meisten Theologen.
Diese Erklärung bezieht sich darauf, was die Bibel unter Versuchung versteht. Das Wort in der lateinischen Bibelübersetzung habe auch die Bedeutung „auf die Probe stellen“. Das unterscheide sich von der heutigen Bedeutung von der „zartesten Versuchung“ oder der Versuchung zum Ehebruch. In der Bibel seien Abraham und Hiob auf die Probe gestellt worden. Der eine habe seinen Sohn opfern sollen und der andere habe sein ganzes Vermögen und seine Gesundheit verloren. Auch Jesus sei vom Teufel auf die Probe gestellt worden. Gott versuche also die Frommen, stelle sie auf die Probe.
Wenn man die Versuchung so verstehe, so Pfarrer Riedl, gebe man beim Beten des Vaterunsers zu, dass man kein Held sei. Gleichzeitig sei die Versuchung, das auf-die-Probe-stellen aber auch eine Gelegenheit im Guten zu wachsen, wenn man sich immer wieder gegen das Böse entscheide. Damit würde man dem Verständnis aus den Zeiten Jesu am nächsten kommen. Es würde aber auch die Verantwortung des Einzelnen bleiben. Im Gespräch nach dem Vortrag kam noch ein weiterer Aspekt auf: Durch die Diskussion sei eine intensive Beschäftigung mit dem Vaterunser entstanden, und das sei ein wichtiger und wertvoller Ertrag.